Text für den Verkündigungsteil der ThomasMesse am 25.02.2001

Im St. Petri Dom zu Bremen

‚Heiter sein im Glauben’

Bibeltext: Psalm 129


Ist das nicht ein befremdliches Ereignis im Bremer Dom? Ein Jongleur, ein Einradfahrer?

Ein Einradfahrer verlangt den meisten von uns Respekt ab. Wir stellen uns nämlich vor wie es wäre, uns auch so ohne jeglichen Halt bewegen zu müssen. Mir wird dabei ganz schwindelig und ich stürze bereits in Gedanken ganz schnell ab. Sicherlich verlangt es eine große Übung in ständiger Bewegung oben zu bleiben." Aber ist das nicht auch ein gutes Bild für unser Leben? Wie leicht verlieren wir den Halt und stürzen, wie leicht können wir aus unserer Mitte fallen?

Es gibt viele Anlässe dafür, seien es Krankheiten, Lebenskrisen, Unfälle, Krieg oder Gewalterfahrungen.

So hätten auch die Menschen in unserem Bibeltext allen Anlass dazu verzweifelt zu sein. Sie beklagen ihre Gefangenschaft. Ihre Wirklichkeit ist dunkel und schwer. Es wird gesagt. "Sie gehen hin und weinen...".

Doch man spürt ein kraftvolles Gottvertrauen, dass auch durch das Weinen hindurch trägt. Hoffnung, dass Gott begleitet, dass TROTZ ALLEDEM eine Zuversicht im Herzen Raum hat: "Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich." Hier wird keineswegs davon gesprochen, dass man nur fröhlich sein und die Traurigkeit und Schwere verdrängen solle. Ganz im Gegenteil, das Weinen ist ein wichtiger Ausdruck dafür, innerlich lebendig zu sein. Aber der Glaube an Gottes liebende und erlösende Nähe kann den traurigen Zustand des Gemüts verwandeln und uns Seelenbalance schenken.

Wenn wir heute aufmerksam auf die chassidischen Lieder gehört haben, entdecken wir in der Musik auch diese Dimension von Schwere und Leichtigkeit zugleich. Das Leben als Ganzes ist angenommen worden.

Das TROTZ ALLEDEM klingt auch hier heiter und deutlich hindurch. Genau diese Erfahrung habe ich neulich mit einer Freundin gemacht, die an Krebs erkrankt ist. Sie erzählte mir mit einem Lächeln jetzt gerade ginge es ihr gut. Ich fühlte mich stark berührt durch diese Begegnung. In diesem Moment nahm ich eine heitere Gelassenheit an ihr wahr. Diese innere Haltung, ein inneres Lächeln zeigt genau das, was Ernst, der Einradfahrer, uns vor Augen geführt hat: die Balance halten können, aufmerksam im Augenblick sein. Hier möchte Gottes Liebe uns gerade in unserer Schwäche seelisch stärken.

Wir haben das Thema unserer heutigen Thomasmesse "Heiter sein im Glauben" genannt. Man könnte auch sagen "Heiterkeit durch Glauben" gewinnen.


Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird wenn der Herr uns hier befreien wird aus den Fesseln - die wir uns nicht selten selber anlegen!

Jeder von uns hat seine eigene Lebensgeschichte. Ich habe oft die Wahl, mich darauf festzulegen und / oder mich festlegen zu lassen ‑ oder aber im doppelten Sinn des Wortes, mich auf-zu-machen.

Glaubens-Heiterkeit meint keine Euphorie und keine Schwärmerei des Glaubens. Der Psalmsänger hat um seine eigenen dunklen und grauen Seiten gewußt wie sonst hätte er diese hellen Worte vom lachenden Mund und der Fröhlichkeit über Gottes Güte finden können? Und damit holt er uns ab, uns, die Traurigen und Verzagten, uns, die Übermütigen, die Vertrauenden und Fröhlichen.

,,Die mit Tränen säen“ lese ich.

Ja, es gibt Brüche in meinem Leben. Ja, ich muß damit leben, daß manch versäumtes nicht mehr nachzuholen ist. Aber ich lese im Psalm weiter. ,,Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen"---- Also --- Ich soll nicht verharren in den Grauzonen meines Lebens. Ich soll etwas tun--- Was aber kann ich tun, damit Ich teilhaben kann an der Heiterkeit des Glaubens?

Heiterkeit ist Gegenwart, ist Helligkeit. Ich bin. Ich bin in diesem Augenblick. Und ich will mich auf-machen, Dich zu suchen, Gott der Dir nichts Menschliches fremd ist. ich will mich aufmachen, Dich zu suchen - im Gebet, in den Zu-fällen meines Alltags, die manchmal so merkwürdig wunderbar gefügt sein können. In Begegnungen, die mich hin und wieder unverhofft glücklich staunen lassen. Nein, Glaubensheiterkeit kann kein erlebbarer Dauerzustand sein, aber vielleicht etwas unsichtbar „tragendes“ in meinem Leben. Ich glaube, daß unser Alltag durchwoben ist mit Zeichen von Gottes Gegenwart. Oft übersehen wir sie--- Lassen wir uns wieder neu überraschen und hellhörig werden! Und vielleicht gibt es Augenblicke, da darf ich mich ganz angenommen fühlen und die heilende Liebe Gottes in mir spüren - das, glaube ich, ist Gnade - und läßt mich froh werden.---

Ich wünsche uns heute Abend etwas von dieser Glaubens-Heiterkeit.

Amen.

Ruth K., Henner F.